methner1-180Als mir angeboten wurde, für einen Monat in Paris als „factrice piétonne“ zu arbeiten, hatte ich eigentlich schon gar nicht mehr damit gerechnet, noch einen Ferienarbeitsplatz zu bekommen, da ich mich sehr spät beworben hatte. Umso größer war meine Freude und natürlich auch die Neugier, was mich in dieser Zeit wohl erwarten mochte.

Die Anreise verlief unkompliziert, ich bin mit dem Flugzeug nach Charles-de-Gaulles geflogen, und auch das Postwohnheim fand ich dank guter Beschreibung ohne Probleme. Dort wurde ich auch gleich sehr nett empfangen und auf mein Zimmer geführt: schlicht, aber immerhin mit Kühlschrank, Waschbecken und WLAN, und für den Preis in Paris einfach unschlagbar!

Am nächsten Morgen war dann frühes Aufstehen angesagt, da ich um 6:30 in der Poststelle sein sollte und noch ca. 25 Minuten mit der Métro fahren musste. Am Arbeitsplatz angekommen wurde ich aber gleich voller Elan und sehr freundlich empfangen, man unterwies mich in sicherheitsrelevanten Regeln und mein immer fröhlicher Chef Dominique teilte mich dem Viertel zu, in dem ich die nächsten 3,5 Wochen arbeiten würde.

Die ersten drei Tage begleitete ich immer unterschiedliche Briefträger bei ihrer Route und lernte somit die Gebäude, Briefkästen und die Handhabung des „courrier“ im Allgemeinen kennen, dann durfte ich mich endlich auch alleine auf den Weg machen. Das war anfangs natürlich schwer und hat lange gedauert, aber gegen Ende war ich dann fast so schnell wie die anderen und fühlte mich, als hätte ich nie etwas anderes getan J

methner2-250Der Tagesablauf sah etwa so aus, dass ich ab 6:30 mit den anderen die angelieferten Briefe+ kleinen Päckchen nach Straßen und Hausnummern in Fächer einsortierte und kontrollierte, ob réexpeditions (Nachsendeaufträge) dabei waren, welche dann mit Etiketten versehen an die neue Adresse geschickt werden mussten. War diese Arbeit getan, sortierte ich alles je nach Route in meinen Caddy ein, holte meine „lettres recommandées“ (Einschreiben) ab, die man immer bei sich tragen und unterschreiben lassen musste, und machte mich auf den Weg.

Mein Viertel im 5. Arrondissement war nebenbei gesagt so ziemlich das schönste in Paris (fand ich zumindest J), weshalb es jeden Morgen eine Freude war, durch die lange Rue Mouffetard mit ihren vielen kleinen Geschäften zu meinen Straßen zu laufen. Ich hatte einen Schlüssel und ein „badge“ erhalten, um in die Häuser mit den Briefkästen zu gelangen, und so verteilte ich meine Post, ließ Briefe unterschreiben und plauderte manchmal kurz mit den Restaurantbesitzern oder Anwälten, denen ich die Post persönlich brachte.

Ohnehin muss ich sagen, dass die Menschen in Paris immer unheimlich freundlich und höflich waren, weshalb ich öfter mal ein „bonjour mademoiselle la factrice“ zu hören bekam und mir das „au revoir, bonne journée“ bald wie von selbst von den Lippen ging J

Gemeinsam mit mir war außerdem ein anderes deutsches Mädchen, Julia, im selben arrondissement tätig, was nicht nur die Arbeit, sondern auch die Nachmittage wesentlich abwechslungsreicher gestaltet hat, da wir eine Menge gemeinsam unternehmen konnten.

So haben wir neben den typischen Touristenattraktionen wie Tour Eiffel, Louvre, Notre Dame, Musée d’Orsay... (die Liste ist endlos!) beispielsweise einem hinduistischen Straßenumzug im Norden von Paris beigewohnt und sind am „journée européenne du Patrimoine“ im französischen Senat gewesen! Es war toll, so viel Zeit für die Erkundung der Stadt zu haben und nicht wie die vielen Touristen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten zu hetzen – und irgendwie habe ich mich auch gar nicht wie eine Touristin gefühlt!mehtner3-250
Unsere Postkollegen waren übrigens unheimlich freundlich und bemüht, wann immer wir Fragen hatten, konnten wir zu ihnen kommen, und gescherzt wurde auch jede Menge. Es war toll, jeden Tag Französisch sprechen zu können und Einblicke in das typische Pariser Leben zu bekommen!

Mit den Leuten der jumelages hatte ich in Paris selbst dann keinen Kontakt mehr, was aber auch nicht schlimm war, da man sich in dieser Stadt eigentlich gar nicht langweilen kann!

Alles in allem hat mich die Zeit in Paris unheimlich begeistert und selbst nach einem Monat wäre ich eigentlich gerne noch geblieben. Und das liegt nicht nur an den vielen Grünflächen, der Seine, der Stimmung und den vielen Straßenkünstlern, den köstlichen Crêpes/Galettes oder den Pains au chocolat, die man an jeder Straßenecke kaufen kann. Denn obwohl ich sonst gar kein Fan von Großstädten bin, ist Paris auf jeden Fall etwas ganz Besonderes! Für mich war es definitiv nicht der letzte Besuch...:)

Nora Methner