„Ja ich weiß,
es war ne geile Zeit,
uns war kein Weg zu weit“
Und so habe ich mich mit Pascal, einem anderen Deutschen aus Hessen, im August auf in das
1000 km entfernte Nantes gemacht. Dort angekommen wurden wir von – wie sich später herausstellen sollte – einem großartigen
und sehr fürsorglichen Ehepaar der Jumelage in Empfang genommen. Marie-Claude und
Louis holten uns vom Bahnhof ab, wunderten sich dabei über die unterschiedliche
Koffergröße von mir und Pascal – tja, so ist das halt bei den Frauen ;-) – und fuhren uns in
unsere Unterkunft, das Foyer „Résidence Porte Neuve ADELIS“. Das Wort „Résidence“
sollte man allerdings nicht zu ernst nehmen, da es sich um eine spärliche Version eines
deutschen Studentenwohnheims handelt. Großen Luxus oder Komfort hatte ich nicht
erwartet, dennoch war ich über die Gemeinschaftstoiletten im Flur nicht sehr
erfreut. Ansonsten war das Zimmer zweckmäßig eingerichtet und enthielt
immerhin eine Dusche. Das Gebäude insgesamt war sehr groß und anonym. Es
gestaltete sich daher sehr schwierig Kontakte mit anderen jungen Leuten zu knüpfen.

Gegen die Lage des Wohnheims war hingegen überhaupt nichts zu sagen. Das
Foyer ist ca. 5 Gehminuten von der Fußgängerzone und 2 Minuten von meinem Arbeitsplatz dem „Centre Financier
de la Poste“ entfernt.
Nachdem wir unsere Zimmer bezogen haben zeigten uns die beiden Jumeleure Nantes.
Mit seinen fast 300.000 Einwohnern ist die Universitätsstadt Nantes die sechstgrößte Stadt
Frankreichs. An Unterhaltung, Kultur und Sehenswürdigkeiten mangelt es hier keinesfalls.
Bedeutende Sehenswürdigkeiten sind beispielsweise das Herzogschloss „Château des Ducs de
Bretagne“, in dessen Schlossgraben sich Wölfe befanden, die Kathedrale Saint-Pierre sowie
eine Vielzahl weiterer Kirchen und Museen (z.B. Musée des Beaux Arts, ein Jules Verne
Museum).
Auch von den toll angelegten Parks und Gärten, sowie den zahlreichen Einkaufsmöglich-
keiten und –Straßen, wie zum Beispiel la rue Crébillon oder le passage Pommeraye, konnte
ich mir im Laufe meines Aufenthalts einen guten Überblick verschaffen.
Unsere erste Stadtbesichtigung trieb uns abschließend in die Arme einer Art Fressgasse. Dort
aßen wir in einer Crêperie zu Abend. Um uns den Einstieg zu erleichtern, unterhielten sich die
Franzosen mit uns in einem deutsch-französischen „Mischmasch“.

Am nächsten Morgen begann meine Arbeit bei der Postbank. Ich war dort die einzige aus-ländische
Ferienarbeiterin. Nachdem alle Formalitäten - der meines Erachtens schwierigste Teil- erledigt waren, wurde ich
zu meinem Arbeitsplatz gebracht und den Kollegen vorgestellt.
Ich arbeitete im inneren Dienst, d.h. Dokumentenannahme und –versand sowie Botendienst.
Diese Abteilung war sehr groß und bestand in der Urlaubszeit immer noch aus rund 20 Mit-arbeitern. Die
Arbeitskollegen empfingen mich sehr freundlich. Die erste der insgesamt vier Wochen verbrachte ich
damit, die unterschiedlichen Stationen zu durchlaufen und somit die verschiedenen Tätigkeiten dieser
Abteilung kennen zu lernen. Dabei zeigten sich meine Kollegen sehr geduldig. Sie erklärten mir alles, jeden

Vorgang und jede Maschine. Sprachbarrieren gab es glücklicherweise keine. Sollte ich etwas einmal nicht verstanden haben, halfen mir das Wörterbuch bzw. Erklärungen durch Arbeitskollegen.
In den anschließenden drei Wochen sortierte ich mit Francoise am Vormittag erst die
eingehende Post den entsprechenden Abteilungen zu, bevor ich anschließend mit ihr den
Rundgang durch den 3.Stock machte, um die eingegangene Post dort abzugeben und die
ausgehenden Sendungen von dort in unsere Abteilung zu bringen. Die ausgehende Post wurde
nachmittags von unserer Abteilung sortiert, frankiert und für die Postboten fertig gemacht.
Nachmittags war ich dann alleine für den 5.Stock zuständig sowie für das Frankieren der
Briefe an einer Frankiermaschine.
Die Arbeit war nicht besonders anspruchsvoll, wobei sie dennoch Konzentration forderte. Die
größte Herausforderung für mich war das Lesen und richtige Zuordnen der französischen
Briefe. Meine Arbeitskollegen standen mir jeder Zeit unterstützend und hilfsbereit zur Seite.
Durch die Rundgängeim 3. und 5. Stock konnte ich neben meinen direkten Arbeitskollegen
noch viele weitere kennen lernen und Bekanntschaften schließen. Auch privat waren meine

Arbeitskollegen sehr zuvorkommend. Alain gab mir immer Ausflugsideen für
meinen Feierabend bzw. das Wochenende, Francoise half mir nach Dienstschluss noch
einige organisatorische Dinge zu regeln (es gab ein paar Schwierigkeiten meinen Lohn
betreffend), Gilles besuchte mit mir das Fußballstadium, in dem ich begeistert und

erfolgreich (!) Nantes anfeuerte und Xavier machte mit mir in der letzten Woche einen
Ausflug ans Meer. Ich hatte jede Menge Spaß!!!
Unterstrichen wurde dies durch Aktivitäten, die die Jumelage organisierten.
Neben dem üblichen Crêperie-Besuch mit der ganzen Jumelage-Sektion Nantes, nahmen mich
einige Jumeleure ganz besonders unter ihre Fittiche. So organisierten Marie-Claude und Louis
mit zwei anderen Paaren ein Picknick „au bord de la mer“ in Sainte Maguerite.
Pascal und ich lernten französische Spezialitäten sowie die Einstellung der Franzosen zum
Essen kennen. Ich hatte das Gefühl, den ganzen Tag gegessen zu haben. Unsere Gastgeber
haben sich sehr viel Mühe gegeben und sich viel Arbeit gemacht. Es war sehr lecker. Und
weil es so schön war, wiederholten wir den Ausflug.
Dieses Mal aßen wir hingegen nicht so lang, sondern fuhren später noch an der Côte Sauvage
entlang und besichtigten die Städte Guérande und le Croisic.
Auch nachdem Pascal, der nur drei Wochen blieb, abgereist war und Marie-Claude und Louis
im Kurzurlaub waren, wurde es mir nicht langweilig. So luden mich Denise und Rémy, die
bisher auf jedem Ausflug mit dabei waren, zu sich nach Hause ein. Während Denise kochte,

erzählte mir ihr Mann viele Dinge über Nantes. Nach dem Essen fuhren wir zu
dritt ans Meer. In la Pointe de St. Gildas habe ich gewaltige Gezeiten, die stärksten
dieses Jahres miterlebt. Wir haben Muscheln gesammelt, sind spazieren
gegangen und haben das herrliche Wetter genossen. Zu der Jumelage möchte ich
sagen, dass die Mitglieder alle ältere Leute sind. Dass diese Tatsache nicht
weiter schlimm war, bewiesen die rüstigen Rentner mit ihrem großen

Engagement. Ich bin mit einer so großen Herzlichkeit aufgenommen worden. Vielen Dank dafür!
Ich hoffe, dass die dort geschlossenen Freundschaften lange bestehen werden. Marie- Claude und Louis traf ich nach meinem Aufenthalt in Nantes kurz in München und es kam mir vor, als würde ich liebe
Freunde in die Arme schließen.
„Ja ich weiß, es war ne geile Zeit, hey, es tut mir Leid. Es ist vorbei.“
Ein großes Dankeschön den Verantwortlichen bei der Jumelage – besonders Frau Moll und
Herrn Wolf – die mir diesen Aufenthalt ermöglichten.

Carolin Götz